Interview mit Stefan Robl

  • FTW: Das AmigaOS3.9 ist draußen und damit auch ein Stückchen Deiner Arbeit. Mit der AmiDoc Leiste hast Du wirklich ein praktisches Tool programmiert das durch einfache Bedienung und großen Nutzen glänzt. War das Deine Idee oder einfach nur ein Auftrag von Haage&Partner?

    Nun, das ist eine witzige Geschichte: Jürgen Haage hat mich während der OS3.9-Entwicklung gebeten, einen leistungsfähigen PDF-Reader zu entwickeln. Leider war es aufgrund des (nicht zuletzt von Amiga verursachten) sehr knappen Zeitrahmens für die OS3.9-Entwicklung nicht vernünftig möglich (aber auch wegen meinem Studium, welches nebenbei halt auch klappen soll). Ich teilte ihm also mit, daß mir das in der sehr kurzen Zeit nicht in der gewünschten Weise gelingen würde. Beiläufig erwähnte er dann, daß so etwas wie der KlickStarter unter MacOS oder die Toolleiste unter Windows irgendwie im OS fehlt. Ich sagte ihm, daß ich mir Gedanken dazu machen würde und setzte mich noch in der selben Nacht an die Arbeit. Am nächsten Tag konnte er schon eine noch extrem primitive Version testen, die aber schon zeigte, daß es der richtige Weg war...
    Naja, und dann ging die Entwicklung mit Hochdruck weiter... ein Blick in die Releasenotes zeigt deutlich was alles gemacht wurde.... ;)

  • FTW: Die AmiDoc Leiste ist wirklich perfekt trotzdem ließe sich diese noch um einiges erweitern. Ist sowas von Dir oder Haage&Partner geplant, oder bleibt es bei dem jetzigen Funktionsumfang?

    Kein Programm ist wirklich perfekt - und AmiDock ist ein wirklich schwieriger Punkt im OS. Die User benutzen AmiDock täglich und wollen früher oder später die eine oder andere Funktion mehr, das ist völlig normal. Natürlich wird AmiDock weiterentwickelt werden. Nur können nicht alle Wünsche implementiert werden, da dann u.U. die bestechende Einfachheit zerstört werden würde. Neuere Versionen von AmiDock wird es definitiv geben, für wirklich sinnvolle Anregungen und brennende Wünsche bin ich übrigens gerne zur Diskussion bereit.

  • FTW:Das AmigaOS3.9 bringt einige neue Sachen mit sich, vieles ist für den normalen Anwender nicht sofort sichtbar. Könntest Du uns kurz diese aufzählen, sind vielleicht noch andere Programme dabei die von Dir stammen? unächst einmal nein, weitere Programme aus meiner Arbeit sind leider nicht integriert worden.

    Es gab und gibt ein paar sehr interessante (auch nagelneue) Projekte und Ideen, die mit Sicherheit in der Zukunft eine Rolle spielen werden. (Aber eines ist doch noch von mir: die PlasmaKugel.gif-Animation als Animated Icon... ;) )

    Zu den Features von OS3.9:
    Eine weitere Aufzählung meinerseits halte ich für etwas unsinnig, da Martin Steigerwald bereits eine hervorragende Zusammenstellung gemacht hat. Persönlich haben mich aber vor allem die kleinen Änderungen in OS3.0 beeindruckt.
    So liebe ich z.B. die neuen ASLPrefs, endlich habe ich einen zentrierten und stets angenehm großen Dateirequester. Unglaublich hilfreich erweist sich bei der täglichen Arbeit das wirklich sehr schnelle Find-Tool, daß ja auch in das Workench-Menü aufgenommen wurde. Bemerkenswert finde ich außerdem das PPC-unterstützende picture.datatype! Lange habe ich auf diesen Moment gewartet und ich kann nur sagen "das fetzt total!" ;-)
    Nicht zuletzt erleichtern die vielen hundert kleinen Bugfixes und hilfreichen Erweiterungen in verschiedenen Systemkomponenten die Benutzung. So erlaubt das text.datatype nun endlich die Selektion von Text... ich habe dieses Feature schon lange vermisst. Auch die Test-Funktion im ScreenMode-Prefs-Einsteller hat mir inzwischen schon wirklich oft geholfen, weil ich viele verschiedene Monitore/Auflösungen teste und benutze.
    Die neue Shell finde ich auch sehr praktisch, endlich mal eine Shell, bei der eigentlich alles möglich ist!
    Über Amplifier, Action, AWeb, Genesis, etc. freue ich mich natürlich auch. Ich habe mich mittlerweile wirklich schon sehr an OS3.9 gewöhnt und möchte es nicht mehr missen wollen!

  • FTW: Vor einigen Wochen hast Du den ersten MPEG Player für das AmigaSDK veröffentlicht. Amiga spricht zwar von einem erfolgreichem start der neuen Entwicklerumgebung, die echten Amiga Anwender sprechen dagegen öfter von einem Flop. Wie siehst Du das Ganze und was dürfen wir von Dir für das neue AmigaOS noch erwarten?

    Das ist ein Thema, daß mir wirklich fast schon "weh" tut.... ich bin vom Konzept des Virtuellen Prozessors im Elate-System wirklich mehr als nur fasziniert. Die Idee ist super und die Realisierung absolut perfekt gelungen.
    Jetzt kommt aber das "nur": Schade ist einfach mit anzusehen, wie wenig Amiga bisher gemacht hat. Das AmigaSDK enthält so wie ich das sehe ausschließlich Komponenten von TAO und keine eigenen Entwicklungen. Erst vor wenigen Tagen meinte Fleecy Moss, daß das ACM (Amiga Component Model) fertiggestellt wurde. Toll. Zwar ist das die wirklich wesentlichste Angelegenheit, um solche wichtigen Sachen wie z.B. das GUI-System zu entwicklen, aber ich frage mich, warum das solange gedauert hat. Selbst wenn das ACM jetzt 100% fertig ist und sauber läuft, dauert es noch eine kleine Ewigkeit, bis so etwas wie eine leistungsfähige GUI realisiert werden kann.
    Kurz: es fehlt noch vieles und es wird noch einige Zeit vergehen, bis man hier vorzeigbare Erfolge erzielen kann. Ich hoffe einfach, Amiga hält sich ran, schließlich schläft die Konkurrenz leider nicht und ist stets bestrebt, eigene Lösungen in den Markt zu drücken...
    Ich würde es aber nicht als Flop bezeichen - das kann man erst, wenn mehr zu sehen ist und das nichts taugen sollte. Momentan ist zu wenig da, auf was man sich eine sinnvolle Meinung bilden könnte.

    Zum zweiten Teil der Frage: die Entwicklungen meinerseits für das neue System kann ich noch gar nicht mal genauer spezifizieren. Ich finde das Konzept ungeheuer inspirierend. Ich könnte mir z.B. eine Animationssoftware, ein Audiobearbeitungsprogramm, ein starker Basic-Interpreter/Compiler, "AmiDockNG", ;-) etc. vorstellen. Eigentlich ist jede von mir entwickelte Software ein potentieller Kandidat zur Portierung.
    Aber fürs erste habe ich meine Arbeit getan. Jetzt muß Amiga erstmal eine GUI liefern, dann lege ich wieder los... :-)

  • FTW: Deine Stärken liegen nicht nur im Bereich der Software-Entwicklung sondern auch Hardware. Könntest Du uns etwas über Deine Hardware-Projekte erzählen, ist vielleicht auch etwas für den kommerziellen Bereich gedacht?

    Oh je. Wo soll ich da anfangen? Es ist ja schon nicht mehr normal, was ich hier bei mir für Equipment angesammelt habe (siehe auch Fotos auf meiner Homepage...) um hier tätig sein zu können. Ich betreibe momentan extreme Grundlagenforschung. Mein Projekt QBox ist mittlerweile bereits fast überall bekannt. Ich entwickle hierbei von Grund auf einen komplett neuen Rechner, der auf starken Einsatz von intelligenter/reprogrammierbarer Logik (SRAM basierende FPGAs) basiert. Der erste primitive Prototyp dieses 32Bit-Rechners läuft ja bekanntlich schon lange und hat mich für weitere Entwicklungen inspiriert. Im einzelnen sind das eigentlich sämtliche Systemkompontenten eines Rechners, also Design von Grafikcontrollern (hat schon vor einiger Zeit ein gutes VGA-Bild erzeugt), SCSI-Controllern (den habe ich neulich erst an einem A500 bereits teilweise lauffähig gemacht!), Speicherinterfaces, etc. Sehr interessant fand ich damals auch meinen von mir entwickelten bereits laufenden Multitaskingkernel für die QBox und mein Filesystem "QFS".

    Vor kurzem habe ich einen sehr schnellen EPROM-Emulator für den Amiga fertigentwickelt, welcher mir z.B. bei diversen Microcontroller-Entwicklungen schon mächtig geholfen hat.

    Was ich ebenfalls bald trotzdem evtl. noch machen werde, ist das Design einer Zorro-Bridge, welcher sich um das Autoconfig kümmert und den Zorro-Bus puffert.
    Daraus werde ich dann eine Prototypenkarte bauen, welche dann ideal als Plattform für einen komprimierenden Videodigitizer oder eine Soundkarte geeignet wäre.

    Komerzielle Entwicklungen habe ich vorerst nicht vorgesehen. Wenn sich das eine oder andere Projekt aber als besonders gut gelungen herausstellt, werde ich es aber sicher in betracht ziehen.

    Momentan sieht es leider so aus, daß ich alle Hardwareentwicklungen fast auf Eis gelegt habe; mir fehlt einfach die Zeit, ein paar (wenige) Stunden Schlaf pro Tag müssen halt auch noch irgendwie sein... ;-)

  • FTW: Gute Entwickler wollen wir von der Arbeit nicht abhalten, deshalb folgt jetzt die letzte Frage. Glaubst Du noch an ein AmigaOS4.0, oder sollen wir uns jetzt langsam auf etwas neues vorbereiten?

    Wenn es nach mir ginge, würden wir schon mit "Full-Power" an AmigaOS4 PPC arbeiten. Ich sehe trotz allem eine gute Chance für ein solches System, da das aktuelle AmigaOS ein über sehr viele Jahre gereiftes System ist, welches über eine sehr gute Programmbasis verfügt. Das alles wegzuwerfen wäre jammerschade!!
    Wenn ich nicht an OS4.0 und danach fest glauben würde, hätte ich schon längst ein anderes System als meine neue Heimat gewählt (obwohl ich bis heute keine wirkliche Alternative gefunden habe...).

    Bei H&P ist man jedenfalls ebenfalls sehr daran interessiert, das System weiter zu erhalten. Nur leider fehlt momentan eine vernünftige Hardware, auf der man mit der Entwicklung beginnen könnte. H&P hat zwar das IBM-POP-Board gekauft (welches momentan sogar ich hier bei mir habe...), aber es wäre ein enormer Aufwand die Portierung hierauf zu machen, weil einfach alles komplett neu entworfen werden müßte und nur max. ein Entwickler mit dem Board "versorgt" werden könnte. Aus diesem Grund ist jetzt die Idee des auf der WOA2000 vorgestellten AmigaOne wirklich interessant. Aber selbst ohne, wäre ein Mediator-A1200 mit SharkPPC eine sehr gute (weil einfache und modulare) Plattform.

    Ich bin überzeugt, daß es schaffbar sein müßte. Wir brauchen halt nur das Ok seitens Amiga. Eine Entwicklung "auf eigene Faust" ist einfach finanziell nicht sinnvoll realsisierbar, da die Arbeitskraft der hierfür eingesetzten Programmierer dann einfach stark an anderer Stelle fehlen würde.

    Beim Teil der Frage mit "oder sollen wir uns jetzt langsam auf etwas neues vorbereiten?" mußte ich schon schmunzeln. Wie gesagt, ich habe bisher keine Alternative gefunden, mit der ich "leben" könnte, so wie ich es mit dem Amiga kann. Ich habe nun schon praktisch alle wesentlichen Systeme (MacOS, Linux, BSD, Solaris, QNX, BeOS, Windows) eingesetzt und nutze sie auch in mehr oder weniger großer Häufigkeit.
    Ich kann nur jedem, der die Möglichkeit hat raten, auch mal in andere Systeme reinzuschnuppern. Auf kurz oder lang wird man einfach merken, daß ein gut konfiguriertes Amiga-System einfach eindeutig angenehmer und logischer ist.
    Das einzige System, welches bei mir am ehesten Freude macht, ist ein PowerMac mit MacOS. Es ist einfach mal was anderes. Sicher, in manchen Fällen ist es dämlich (man denke nur an die Dateitypen, das FileSystem und das fehlende preemtive Multitasking(!)), aber Nutzen kann man es gut. Und mit MacOS-X wirds ja endlich auch mal intern modern.

    Trotz allem: ein AmigaOS4 ist und bleibt für mich die eindeutig schönere und interessantere Sache. Im AmigaOS stecken einfach zu viele Features, um es einfach fallen zu lassen. Hoffen wir, daß die OS3.9-Verkäufe den Amiga Inc.-Leuten die Augen öffnen und damit zeigen: "Die Entwicklung von OS4.0 lohnt sich!"

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